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Frauen tauschen Sexualität gegen Macht

Frauen tauschen in allen Gesellschaften, in denen ihnen soziale und ökonomische Macht fehlt, ihre Sexualität gegen die Macht der Männer ein. Diese These vertreten der Sozialpsychologe Roy Baumeister und die feministische Anthropologin Paola Tabet. Eva Illouz fügt hinzu: „Tabet nennt dies den ökonomisch-sexuellen Austausch.“ In solchen Gesellschaften tauschen Frauen sexuelle Dienste mit den Männern, von denen sie kontrolliert werden, zu unterschiedlichen Preisen. Diese bestehen im Normalfall aus einem langen Liebeswerben und Eheleben. Sie können aber auch die Form von Geschenken wie beim Dating oder die von Geld in der Prostitution annehmen. Eva Illouz ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Außerdem ist sie Studiendirektorin am Centre européen de sociologie et de science politique de la Sorbonne.

Der weibliche Körper bekam einen enormen wirtschaftlichen Wert

Nach den 1970er Jahren und in der sich anschließenden Konsumwirtschaft fanden zwei entscheidende Veränderungen statt. Eva Illouz kennt sie: „Dank der Antibabypille herrschte praktisch uneingeschränkter sexueller Zugang zu Frauen, der die Männer nur noch sehr wenig, nämlich weder eine Ehe noch eine aufwendige Werbung, noch auch nur eine Reihe von Rendezvous kostete. Und zweitens schuf die von den Medien- und Modebranchen betriebene Sexualisierung des weiblichen Körpers einen beachtlichen wirtschaftlichen Wert, von dem zumeist – aber nicht ausschließlich – Männer profitierten.“

Die britische Politikwissenschaftlerin Carole Pateman bringt es auf die knappe Formel: „Es existiert ein riesiger, millionenschwerer Handel mit Frauenkörpern.“ Es dürfte allerdings eher ein milliardenschwerer Handel sein. Die Sexualität entwickelte sich zu einer bezahlten wie unbezahlten Quelle von Mehrwert für eine Reihe von einflussreichen Industrien in Männerhand. Möglich gemacht wurde der wirtschaftliche Wert des weiblichen Körpers durch dessen Verwandlung in eine handelbare visuelle Größe.

Ashley Mears prägt den Begriff „Look“

Eva Illouz erklärt: „Neue Normen der Attraktivität wurden über ein ausgedehntes Netz an Branchen verbreitet. Von Beginn des 20. Jahrhunderts an propagierten die Massenmedien und der industrielle Komplex von Mode und Kosmetik Bilder schöner und eleganter Frauen in unbekanntem Ausmaß.“ Diese Bilder brachten neue Normen von Attraktivität hervor, deren Anziehungskraft über klassenbasierte Kleidungskodes hinaus allgemein funktionierte. Ihren Wirkmechanismus bezeichnet die Soziologin Ashley Mears als „den Look“, womit eine Mischung aus Kleidungsstil, Ausstrahlung und Figur gemeint ist.

Der individuelle Körper wurde somit in einem Prozess der Spektakularisierung zu einer rechtmäßig handelbaren Ware gemacht, zu einem Bild, das öffentliche Körperbilder nachahmte und spiegelte. In Prozeduren der Erzeugung und Präsentation des eigenen Selbst schlagen sich stets die vorherrschenden wirtschaftlichen und kulturellen Interessen der Zeit nieder. Sexuelle Attraktivität ist eine neue Weise, wie sich der Körper mittels visueller Mediensymbole und Konsumgegenstände selbst in Szene setzen kann. Quelle: „Warum Liebe endet“ von Eva Illouz

Von Hans Klumbies

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